Kolumne 08/15

Jaqueline
Scheiber

Christian Bazant-Hegemark Detail Christian Bazant-Hegemark, Equilibrium, 2010 (c) Landessammlungen NÖ

Betrachtung in eigener Sache

Geht man davon aus, dass wir zu jedem Zeitpunkt nur ein Aspekt eines komplexen Vielfachen sind, liegt die Erkenntnis nahe, dass kein Leben ausreicht, um uns selbst zu begreifen.

Doch deshalb sind wir nicht zugegen. Die Kunst gibt uns auch in diesem Paradoxon einen Raum, um unseren Gedanken freien Lauf zu lassen. Sie bietet Gelegenheit zur Dokumentation einzelner Momentaufnahmen. Und genau solche Momentaufnahmen sind es, die in Summe eine Ahnung hinterlassen, uns bei unserem Selbst und der damit verbundenen Darstellung zu verorten. Nun ist nicht jeder und jede ein/e Künstler/in, doch schon die Rolle des/der Betrachters/Betrachterin bewegt gewisse innere Vorgänge in uns, zum Beispiel: das Erkennen der Fähigkeit, in den Dialog mit einzelnen Werken zu treten. Die Kunst spricht demnach nicht bloß von ihrem eigenen Ausdruck, sie spricht auch zu uns und erschafft eine Wechselwirkung eines Moments.

Christian Bazant-Hegemark vervielfacht sich in seinem Werk Equilibrium (2010) selbst. Der Titel in Kombination mit dem Gemälde bringt in meiner Betrachtung eine pessimistische Ausschüttung von Emotionen zum Ausdruck. Angelehnt an einen Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2002, der von einer Dystopie erzählt, in der menschliche Emotionen als Kern des Übels erkannt werden, nutzt Bazant-Hegemark das Selbst in mehreren Überlappungen zur Ausschüttung jener Emotionen. Schreitet man in der Interpretation voran, so könnte man meinen, dass gerade das Momentum eines Gefühls nie für sich selbst steht, sondern stets begleitet von weiteren Einflüssen ist. Auf dem Ölbild fließt jedoch nichts aus dem Behältnis heraus. Schließlich sind wir dazu angehalten, uns mit den Gemütszuständen auseinanderzusetzen, so sehr wir uns auch manchmal von ihnen befreien möchten.

Was ich damit sagen möchte: Die Selbstdarstellung ist keine einsame Kunst. Sie bezieht den gesamten Apparat der menschlichen Aspekte mit ein. Ein simples Beispiel zeigt, wie sehr die Auseinandersetzung mit dem Ausdruck eines Künstlers Ängste, Hoffnung und auch Glück in uns hervorrufen kann. Wir agieren stets auf mehreren Ebenen, die in sich niemals abgetrennt voneinander fungieren. Wir können unseren Moment sichtbar machen – durch Worte, durch Gesten, durch Malerei oder Musik –, doch können wir uns nicht vollends von ihm loslösen. All unsere Eindrücke addieren sich, legen sich Schicht um Schicht zu einem Ganzen und bilden das Bild, das wir in genau dieser Sekunde tragen können.

Jaqueline Scheiber

 

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