Out of the Dark

Hilda C. Polsterer

(c) Raffael F. Lehner

Manchmal helfen Zufälle, Künstlerinnen zu entdecken. Wenn Ausstellungen geplant sind, werden solche Zufälle begünstigt. Jetzt macht sich ein wissenschaftliches Team daran, die Vergangenheit mit neuer Energie in die Gegenwart zu holen und neu zu bewerten. Die Suche nach verschollenen Künstlerinnen ist dabei einer der zentralen Trends der Gegenwart und Österreich hat großen Bedarf, die eigene Kunstgeschichte neu zu erarbeiten. Besonders eine Epoche des 20. Jahrhunderts wurde bisher immer mit einem männlichen Blick gesehen: Die ersten Jahrzehnte des Aufbruchs nach 1945 mit der wichtigsten Neugründung dieser Epoche, dem Art Club.

Pariser Jahre und Salon in Wien

Eine Entdeckung dabei ist Hilda C. Polsterer, eine Niederösterreicherin, die Unglaubliches geleistet hat. Polsterer studierte 1922–1926 bei Josef Hoffmann, Berthold Löffler und Erich Mallina an der Kunstgewerbeschule Wien. Die Jahre 1935–1937 verbrachte sie in Paris, wurde Chefdesignerin des Kaufhauses Printemps und bildete sich in der freien künstlerischen Szene weiter. Sie traf den Surrealisten Hans (Jean) Arp und auch André Breton, schloss Freundschaft mit Tristan Tzara und bestritt Ausstellungen in Pariser Galerien Castel und Bernheim, sowie im Salon des artistes décorateurs, Salon d’Automne und Salon des indépendants. Man kann es auch so sagen: Kein anderer Österreicher und auch keine Österreicherin war in Paris so gut vernetzt wie Polsterer.

Nach ihrer Rückkehr wurde sie 1947 Art-Club-Mitglied und beteiligte sich an dessen Ausstellungen, Polsterer betrieb in der Wiener Hessgasse 7 einen bedeutenden Salon, der in den Nachkriegsjahren ein Zentrum für viele bildende Künstler*innen und Literat*innen wurde.

Großartiger Fund einer Gemälde-Sammlung

Vernetzung ist eine ganz große Leistung Polsterers, und das in einer durch und durch analogen Zeit. Polsterer vermittelte Informationen, Erlebnisse und Freundschaften. Was allerdings fehlte waren Werke der Künstlerin, um ihr Schaffen beurteilen zu können. Jetzt hatten wir Glück, denn ein Kunstsammler konnte uns zehn Gemälde Polsterer zeigen, die aus einem Haus in Rekawinkel kamen. Polsterers Freundschaft mit dem Dichter, Kunsthistoriker, Mitarbeiter (und nach 1945 kurzfristigem Direktor) der Albertina George Saiko hatte zur Ausstattung seines Hauses mit großartigen Polsterer-Werken geführt. Diese Werke geben das Bild einer bemerkenswerten Künstlerin, die uns von Paris erzählt. Es sind Bilder, die gerade jetzt im „Mid-Century-Trend“ eine unglaubliche Atmosphäre versprühen. Ausblicke auf Plätze, Frühstück am Balkon, spannende Menschen, viel mehr braucht es nicht, um in Paris-Träume einzutauchen.

Die Bilder kommen direkt von jenem Ort, wo sie Polsterer selbst präsentiert hat, ihr Zustand ist unverändert, die Rahmung von der Künstlerin selbst gewählt. Das macht die Kunstbetrachtung zu einem sehr authentischen Erlebnis, das man nun in der Ausstellung Aufbrüche. Künstlerinnen des Art Club genießen kann.

 

Christian Bauer

Gründungsdirektor der Landesgalerie Niederösterreich und Kurator der Ausstellung

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