Minusgold (c) Sophie Nawratil
Betrachtung in eigener Sache
Ich betrachte mich selbst im Spiegel, sehe an mir herab und nehme Notiz der Jahre, die in meine Oberfläche gesunken sind. Es sind Narben und Tinte unter der Haut, Dehnungsstreifen oder blasse Stellen auf meiner ohnehin schneeweißen Hautoberfläche. Manche Merkmale sind nur temporär, andere sind von nun an unmissverständlich meinem Erscheinungsbild zuzuordnen. Vieles von dem, was ich zu mir zähle, ist für das freie Auge nicht sichtbar, es sind Schichten, die unter den Pigmenten gebettet liegen und mit Erinnerungen verknüpft sind. Sie erzählen Geschichten, wenn man danach fragt, oder durch Zufall auf sie stößt. Andere meiner Anteile rücke ich prominent und offensichtlich ins Rampenlicht. Meine gefärbten Haare beispielsweise oder die Art und Weise, wie ich mich kleide.
Ist Selbstdarstellung nun das, was sichtbar ist? Ich meine, die Selbstdarstellung, das ist das Gesamte, das sind wir. Das ist jede unserer Geschichten und Gesichtszüge. Das ist eine Funktion, die sich veräußert und in eine Optik mündet. Das ist die Art und Weise Sprache zu verwenden oder sie eben in gewissen Momenten zurückzuhalten. Das ist die Möglichkeit, Farben als laut zu bezeichnen und sich laut zu fühlen obwohl man kein Wort spricht.
Nur in zweiter Linie haben wir Einfluss darauf, wie wir die Dinge, die uns widerfahren sind, einordnen. Wir können Entscheidungen treffen, nachdem die Würfel gefallen sind. Es wird eine Auswirkung darauf haben, wie wir lieben und uns zeigen, welche Ziele wir mit unserer Veräußerung erreichen.
Ich betrachte mich selbst im Spiegel. Schon in jungen Jahren sind viele Dinge nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Sie haben mich geformt, ich habe mit den Bausteinen eine Bühne gebaut. Betrachten Sie sich selbst, treten Sie in den Dialog mit sich und der Welt. Was werden Sie entdecken? Eine Farbe oder eine Tonart? Vielleicht ein Gemälde oder eine Skizze? Ist es eine Momentaufnahme?
Jaqueline Scheiber
