Franka Lechner

IM GESPRÄCH MIT KURATOR HUBERT NITSCH

Franka-Lechner-und-Hubert-Nitsch_LG-News.jpgFranka Lechner und Hubert Nitsch © APA/Markus Haslinger

Die Personale von Franka Lechner in der Landesgalerie Niederösterreich vereint Werke aus fünf Jahrzehnten und gibt Einblick in ihr vielfältiges Lebenswerk. Zu sehen sind 18 Tapisserien, 12 Miniaturtapisserien, 24 Grafiken sowie eine Entwurf-Skizze. Lechner spricht im Interview mit Kurator Hubert Nitsch über ihre Arbeitsweise.

Hubert Nitsch (HN): Gerne möchte ich dich zum Entstehungsprozess deiner Bildteppiche befragen. Was ist dein erster Schritt, bevor du dich an den Webstuhl setzt?

Franka Lechner (FL): Zuerst entsteht eine kleine Skizze mit Bleistift und mit Buntstift. Die Farbmischung der Stifte entspricht ganz gut den Wollfäden, die übereinandergelegt werden. Mit den Stiften kann ich simulieren, was nachher am Webstuhl entstehen wird. Manchmal kopiere ich die Skizze und überarbeite sie wieder ähnlich einer Collage. Am Beginn meiner künstlerischen Arbeit stand ja auch die Collage als eines der interessanten Verfahren. Daraus entwickelten sich dann auch meine Bildteppiche. Meine ersten Tapisserien habe ich aus zusammengenähten Assemblagen gemacht.

HN: Was passiert dann, wenn eine Skizze fertig ist?

FL: Dann bespanne ich den Webstuhl mit der senkrechten Kette. Ich habe sowohl im Atelier in Rosenburg als auch in Wien den klassischen Hochwebstuhl. Die Kette ist Baumwolle und der Schuss, also der Faden, den ich in die Kette einziehe, ist Schafwolle. Diese Schafwolle ist teils sehr fein, teils gröber, je nachdem wie ich es für die Arbeit brauche. Ich färbe die Wolle im Topf mit der Farbe, dabei kommt immer wieder ein anderes Ergebnis heraus. Ich könnte nicht fünf idente Teppiche von einem Entwurf garantieren, weil es davon abhängt, wie ich die Wollen färbe und sie mische. Das kann ziemlich unterschiedlich sein. Aber mit der Zeit habe ich eine große Palette an Wollen und kann aus dem Vollen schöpfen.

HN: Es wird auch mit verschieden dicken Fäden gesponnen?

FL: Ich kombiniere unterschiedlich dicke Wollen und geben manchmal ganz dünne Fäden dazu, um eigene Effekte zu erzielen. Je nach Zusammenstellung der Wollen kann ich verschiedene Farbverläufe erzeugen, etwa von hell zu dunkel.

HN: Wie genau bleibst du an deinem Entwurf, den du mit Buntstift ausführst und rasterst? Entstehen Änderungen während des Webens?

FL: Wenn ich ganz frei webe nur für mich oder für eine Ausstellung, dann kommen unter Umständen Änderungen vor. Im Allgemeinen bin ich aber doch sehr genau, weil ich am Webstuhl am Ende nichts mehr korrigieren kann. Ich kann immer nur sofort korrigieren, indem ich einen Faden auftrenne. Das ist der wesentliche Unterschied zur Malerei.

HN: Wie ist der Moment, wenn du den Teppich abspannst?

FL: Dieser Moment ist sehr spannend! Dann sehe ich erst, wie das Werk geworden ist. Ich schneide den Teppich dann vom Webstuhl an beiden Seiten ab und knüpfe ihn ab. Danach sehe ich erst das Ergebnis. Das kann dann in der Gesamtwirkung unter Umstände auch überraschend sein. Meistens passt es. Ich webe jetzt seit fast 50 Jahren, da ist natürlich eine sehr große Erfahrung vorhanden.

HN: Wie bist du in die Weberei eingestiegen?

FL: Ich habe mit Malerei begonnen, aber nicht fertig gemacht, da ich geheiratet und Kinder bekommen habe. In einer Ausstellung im 20er Haus (jetzt Belvedere 21, Anm.) habe ich zwei Bildteppiche gesehen: „Pissender Knabe mit Wolkenkratzer“ von Friedensreich Hundertwasser und einen riesigen Teppich des österreichischen Künstlers und Bildwebers Fritz Riedl. Letzterer war so schön und professionell gewebt, dass er mich nicht zum Weben animiert hätte. Aber der ganz naive Hundertwasser-Teppich hat mich ermuntert. Ich dachte mir, das kann ich auch!

HN: Was willst du mit deinen Arbeiten sagen?

FL: Ich kann keine Rätsel lösen, ich kann keine Antworten geben. Aber diese Farben und dieses Gewebe haben etwas Tröstliches.

HN: Das Tröstliche kommt ja auch immer wieder in deinen Titeln vor. Darin knüpfst du auch an das Spirituelle an, aber auch an Fragen der Gesellschaft oder an gesellschaftspolitische Fragen.

FL: Ich behandle durchaus auch politische Fragen, obwohl es auf den ersten Blick nicht so scheint. Man glaubt, ein Teppich kann nicht politisch sein. Stimmt aber nicht. Wenn ich eine Tapisserie webe mit einer roten Linie und unten verschlüsselt das Meer in ganz Schwarz darstelle, dann ist das ganz klar auch eine politische Aussage. Obwohl es ein wunderschöner Teppich ist. Die rote Linie muss man durchbrechen, oder man durchbricht sie nicht und ertrinkt. Das muss nicht jeder verstehen, aber es ist trotzdem enthalten.

HN: Warum schätzt du die Wolle als Werkmaterial?

FL: Das Besondere an der Wolle ist ihre Wärme, aber auch das Taktile und die Räumlichkeit. Die Tapisserie erhält dadurch einen eigenen Zauber. Ich freue mich immer, wenn in einer Ausstellung jemand sagt, ich möchte das so gerne angreifen. Das Weben ist eine sehr sinnliche Kunst, sinnlicher meist noch als Malerei. Ich habe beobachtet, dass Leute vor einem Bildteppich länger stehen bleiben als vor Bildern. Das Weben ist nicht nur eine langsame Kunst per se, sondern lädt auch zu langsamen Schauen ein. Die Betrachtung der Teppiche ist auch ein bisschen eine Reise.

HN: Wie gehst du in der Malerei vor?

FL: In der Malerei stehe ich vor einer Fläche und muss diese Fläche zunächst einmal aufbrechen. Meistens mache ich das, indem ich collagiere und das dann überarbeite. Oder ich fange einfach an zu malen mit bestimmten Farben und warte, wie sich das entwickelt. Manchmal schreibe ich auch ein Gedicht auf ein Blatt und überarbeite es dann, somit ist das Gedicht dann auch im Bild enthalten. Nicht umsonst heißt mein Buch „Wortgewebt“ – es überschneidet sich alles, das Weben und das Wort.

 HN: Danke für das Gespräch

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