Kolumne 12/15

Jaqueline
Scheiber

 Ausstellungsansicht (c) Lukas Beck

Betrachtung in eigener Sache

Wenden wir den Blick ab vom Körper selbst, hin zu dem Inventar, das uns beschreibt. Die Selbstdarstellung hält sich nicht nur an die physische Erscheinung des Menschen, sie definiert sich ebenso durch Gegenstände und Materialien, die wir uns zu eigen machen. Heutzutage ist es undenkbar, frei von materialistischen Objekten zu sein, sei es nur eine überschaubare Menge, die man bei sich trägt – man trägt sie. Das, was wir haben, definiert uns gleichermaßen wie das, was wir sind, was wir uns wünschen und wodurch wir uns identifizieren.

Die Abstraktion der eigenen Person in einen oder mehrere Gegenstände reicht von täglichen Gebrauchsutensilien zu besonderen Stücken, die ihre Aussagekraft durch ein Ereignis erlangen. So ist es beispielsweise das Malerhemd von Hermann Nitsch, das zu einem Kunstwerk transformiert wurde, nachdem es in Gebrauch gewesen war. Es beschreibt sein Dasein und ist unweigerlich mit seiner Darstellung verbunden.

Im täglichen Leben sind es oft unbewusste Artefakte, die wir nutzen und doch als ein Wiedererkennungsmerkmal dienen. Jeder von uns hat diese eine Sache, die nicht nur eine Sache, sondern eine Geschichte ist. Ich trage die Ohrringe meiner Urgroßmutter. Sie sind seit mehr als hundert Jahren in Familienbesitz. Sie sind aus zartem Gold geformt mit einem tiefblauen Stein versehen. Die Farbe Blau ist etwas, das meine Familie fortan begleitet. Selbst wenn die Gesichter meiner Vorfahren verblassen, bleibt eine blaue Erinnerung an sie bestehen.

Für Künstler/innen ist die Darstellung der Gegenstände, die für sie von Bedeutung sind, der verlängerte Arm des Selbst. Das reicht von malerischen Stillleben bis hin zu Orten und Räumen, die sie sich aneignen. In der Ausstellung findet man dazu eine Malerei von Arnulf Neuwirth, der sein grünes Haus inmitten einer verwachsenen Landschaft durch Ölmalerei auf die Leinwand gebracht hat. Nicht zufällig ist der Begriff „etw. oder jemanden verorten“ ein Synonym für „sich durch etw. oder jemanden definieren“.

Die Kunst besteht vielleicht darin, diese Gegenstände herauszuarbeiten und sie für sich sprechen zu lassen. Durch ihre Verwendung und Geschichte nehmen sie plötzlich Gestalt und ein Eigenleben an, die sich mit der eigenen Biografie verweben. Dadurch kann eine Symbiose zwischen einem Objekt und einem Menschen entstehen und in eine Darstellungsform münden.

 

Jaqueline Scheiber

 

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