Kolumne 10/15

Jaqueline
Scheiber

 Ausstellungsansicht (c) Christian Redtenbacher

Betrachtung in eigener Sache

Ein Raum ohne Publikum. Ein Spiegel ohne Gegenüber. Kunst ohne Betrachter/innen. In Zeiten der Rückläufigkeit, der Minimierung fällt das Schaffen auf den Kern zurück: Wir sind mit uns alleine. Es ist eine Periode der Innenbetrachtung: Wir subtrahieren das Außen und kehren an einen Nullpunkt zurück. Was wird von diesem Ausgangspunkt sichtbar sein? Die eigene Reflexion wirft lange Schatten in den Raum. Was jetzt folgt ist das, worin wir uns später wiederfinden können. Man wird es in den Galerien und Museen hängen sehen: die unverblümte Betrachtung der Stille. Es sind Zeiten des Schweigens, der mühevollen Ruhe, die sich breit macht, zwischen den Bücherregalen hallt und an der Decke emporrankt.

Vielleicht wird uns nun zum ersten Mal bewusst, dass die Inszenierung wenig wiegt, wenn sie keine Zuschauer/innen birgt, dass die Darstellung ohne Betrachter/in nur Masse in einem Raum einnimmt. Eine noch nie dagewesene Pause schiebt sich zwischen Geschäftigkeit und Tatendrang. Was wird sie für Auswirkungen haben? Welche Ausdrucksformen wird sie hervorbringen? Wie werden wir einander mitteilen, was Isolation und Rückzug für jede/n Einzelnen bedeutet?

Die Selbstdarstellung mag eine einsame Kunst sein. Sie vertieft den Monolog ins Innere. Sie verlangt eine kompromisslose Beleuchtung unserer inneren Vorgänge. Das Besondere an ihr ist jedoch, dass sie erst durch das Betrachten zur Sprache kommt. Sie liegt in allem, was wir mit der Außenwelt teilen, solange es ein Außen gibt. Sie legt sich über all das, was wir berühren.

In Zeiten wie diesen ist es der digitale Abdruck, der die Darstellung vervollständigt. Ein Sprachrohr in die Welt. Ich möchte ihn als Chance markieren, uns weiterhin mitzuteilen, sichtbar zu machen und eine Nuance der eigenen Identität zu markieren.

Während Galerien, Museen und die Straßen von der Leere schwer wiegen, kann es eine Möglichkeit darstellen in das Schaffen zurückzukehren, bevor wir neue Denkanstöße aus der Kunst erhalten. Der Drang zu existieren und sich zu zeigen wird nicht abnehmen. Im Gegenteil: in der Geschichte der Kultur befinden wir uns in einer kurzen Atempause, um bald wieder Betrachter/in und Darsteller/in zugleich zu werden.

Jaqueline Scheiber

 

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