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Auf zu Neuem 2/3

Hans Staudacher, Illusion Wien, 1949-51, Courtesy Sammlung E. und H. H.

Stunde Null, Avantgarden, Gruppierungen und Einzelgänger

Der Einschnitt des Jahres 1945 ist nicht weniger gravierend als jener des Jahres 1918. Im Unterschied zum Untergang der Donaumonarchie bedeutet das Ende der Nazi-Diktatur einen Befreiungsschlag, dem ein großartiger Aufbruch folgt. Die Kunstszene formierte sich komplett neu. Führende Künstler wie Oskar Kokoschka und Fritz Wotruba waren in die Emigration gegangen, die Aufarbeitung der Jahre des Schreckens mit der Abkehr von deren künstlerischen Zwängen wird nun zur Triebfeder des Neuanfangs. So sehr sich die unterschiedlichen künstlerischen Bewegungen gegenüberstehen, sie alle verbindet die Abgrenzung vom nationalsozialistischen Kunstideal.

Sammelbecken neuartiger Bestrebungen

Die Kunstszene verfügt ab 1947 mit dem Art Club über ein Sammelbecken neuartiger Bestrebungen, das Trachten nach Unüblichen ist sein Programm, der „Strohkoffer“ wird der erste Szene-Hotspot der Nachkriegszeit. Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus ist darin als Gruppe um Albert Paris Gütersloh mit Arik Brauer, Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden anfangs tonangebend. Der Surrealismus wird intensiv diskutiert, mit ihm beginnt der künstlerische Neuanfang der jungen Generation. Auch Arnulf Rainer und Maria Lassnig wurzeln in diesem Lebensgefühl.

Abstraktion, Huldigung von Zufall, Action-Painting und Subjektivismus

Ausstellungen der westlichen Besatzungsmächte bringen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg auch Werke der internationalen Abstraktion nach Österreich. Reisen und Aufenthalte in Paris verstärken in der Folge den Einfluss einer neuen, von Spontanität und Subjektivität bestimmten Kunst jenseits des Gegenständlichen. Während der legendären Paris-Reise von Maria Lassnig und Arnulf Rainer 1951, die deren Abkehr vom Surrealismus bedeutet, entdeckt das Künstlerpaar neueste Beispiele europäischer und amerikanischer Abstraktion. Freiheit und Subjektivität sind hier die Schlüsselbegriffe. Hans Staudacher und Josef Mikl finden bald zur gestischen, subjektiven Form der Abstraktion. Die Anfänge beider Künstler liegen allerdings in einer geometrischen Bildkomposition, die sich ebenfalls in den Jahren nach dem Krieg formiert.

Neben der Huldigung von Zufall, Action-Painting und Subjektivismus entwickelt sich schon früh ein zweiter Strang der Abstraktion, der die Ordnung zum Bildprinzip macht. In Österreich greifen Arnulf Rainer und Maria Lassnig Prinzipien des Konstruktiven ebenso auf wie Josef Mikl und vor allem Johann Fruhmann, der in einer Vielfalt an künstlerischen Techniken und Materialbildern zu einer lyrischen Spielart des Konstruktiven findet.

Tristesse und Spießertum

1954 entsteht mit der Galerie St. Stephan die erste Avantgarde-Galerie in Wien, die sich ausgerechnet im Naheverhältnis der Kirche entwickelt und unter Führung von Monsignore Otto Mauer Furore machen sollte. Die Ausnahmesituation des ersten Jahrzehnts der Nachkriegszeit weicht mehr und mehr einer Normalität der Republik Österreich, deren Tristesse und Spießertum zu neuen künstlerischen Antworten der 1960er-Jahre führen werden.

Christian Bauer
Künstlerischer Direktor Landesgalerie Niederösterreich

Auf zu Neuem. Drei Jahrzehnte von Schiele bis Schlegel aus Privatbesitz

ab 27. März 2021

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