Kolumne 06/15

Jaqueline
Scheiber

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Irene Andessner, I.M. Dietrich, 2001

Betrachtung in eigener Sache

Eine Ausnahme markiert sich, wo eine Regel gebrochen wird. Die Regeln der Gesellschaft liegen klar und teilweise im Widerspruch in der eigenen Sozialisierung. Dabei spielen Geschlecht, Schicht und nicht zuletzt Zugang zu Kunst und Kultur eine Rolle. Wie wir aufwachsen nimmt Einfluss darauf, wie wir uns veräußern. Man wird was man lernt. Bis zu dem Zeitpunkt, wo man beginnt, Fragen zu stellen. Und eben diese Fragen sind der springende Punkt. Woher kommt der Drang, eine Ausnahme darzustellen? Was muss passieren, um die eigenen Fähigkeiten nach außen zu einer Darstellung zu kanalisieren?

Künstler/innen begegnen sich selbst in einem Dialog, der die eigene Existenz in Frage stellt. Ein Prozess, der durch Aufrauen, Begegnung und Auseinandersetzung gekennzeichnet ist. Was von außen sichtbar wird, ist Ergebnis einer langen intrinsischen Befragung des Selbst. Nicht zuletzt spielen psychische Auffälligkeiten, Suchtmittel oder eine ähnliche Art der Berauschung eine Rolle. Vieles dient dem Klischee, ein geringer Kern bleibt wahr. Immer ist es eine Norm, die überschritten wird. Kunstschaffend, das kann man mit Leiden verbinden, es ist ein gewisser Druck nötig, um sich über die Grenzen hinweg zu setzen.

Festgeschriebene gesellschaftliche Konzepte wie Geschlecht und Identität zu durchbrechen benötigt Kraft. Die österreichische Künstlerin Irene Andessner überschreitet so weit die Grenzen der Existenz, dass sie in ihrer Verkörperung von Frauenbildern einen Mann namens Dietrich heiratet, um ihrer Darstellung von Marlene Dietrich beinahe deckungsgleich nah zu kommen. Mit ihrer Arbeit I. M. Andessner – I am Dietrich ebnet sie die Barrieren zwischen Stars und einfachen Bürger/innen und stellt damit das Konzept von Ruhm und Glanz in Frage.

Was in Darstellung mündet, pocht lange zuvor unter der Hautoberfläche. Was wir sehen, was wir zu verstehen versuchen, jedes Werk, das uns bewegt, ist die individuell gewählte Grenzüberschreitung der Künstler/innen an der eigenen Person. Man könnte meinen, Selbstdarstellung hat etwas mit Gewalt zu tun. Gewalt in ihrer Kraft, in ihrer Sturheit und in ihrem Durchsetzungsvermögen.

- Scheiber Jaqueline

 

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