Kolumne 07/15

Jaqueline
Scheiber

Betrachtung in eigener Sache

Wer sind wir, wenn ja, wie viele? Ein philosophischer Ansatz, der in seinem Ursprung von Richard David Precht behandelt wurde und die unterschiedlichen Ebenen der Fremd- und Eigenwahrnehmung durchleuchtet. „Das Ich, das um sich selber weiß“ beschreibt Precht als ein philosophisches Paradoxon. Es sei uns nicht möglich, uns in unserer Gesamtheit zu erfassen. Zu viele Nebenschauplätze des Bewusstseins werden laufend beeinflusst, bespielt und geformt. Simultan. In der Philosophie wurden Gefühle lange außen vor gelassen, es waren die Gedanken, die unsere Identität zu prägen hatten. Wenn man einen Blick Richtung (Schauspiel)-Kunst wirft, begreift man schnell, dass es zu einem großen Teil Emotionen sind, die das Außenbild formen.

Dies beginnt bei der Mimik und endet in den Farben, die wir wählen, um uns wohl zu fühlen. Wohlfühlen, das ist die Spaltung zwischen Darstellung und Authentizität. Denn wenn wir Viele darstellen, fühlen wir uns auch in jeder Rolle wohl? Meine Antwort darauf ist: nein. Käme der Drang, sich selbst zu veräußern, selbst aus dem Innersten, ist er niemals ohne Kompromiss verbunden. Die Darstellung kann authentisch sein, sie kann schmerzlich ehrlich und ungefiltert aus einem heraus Wachsen und an der Hautoberfläche Wellen schlagen – nichtsdestotrotz wird sie in verschiedenen Kontexten Abstriche davontragen. Nämlich gerade dann, wenn wir interagieren.

Die bisherige Betrachtung lag auf dem Individuum selbst, der inneren und äußeren Verausgabung. Doch was passiert, wenn wir mit all unseren Rollen in einen Raum voller Menschen treten? Wir werden Schwierigkeiten dabei entdecken, in einer konstanten Dosierung unseres Selbst aufzutreten. Unsere Beziehungen und unsere Emotionalität dazu haben einen nicht unerheblichen Anteil daran, wodurch wir uns definieren. Gleichzeitig bringt jede Beziehung einen neuen Aspekt in uns hervor. Sie festigen unseren Habitus und begleiten uns dabei, Altbekanntes zu verlernen. Sie sind eine Sammlung aller Persönlichkeiten und Darstellungen, die wir in uns hegen und ein Querschnitt der rauen Menge Ehrlichkeit in uns. Daher sind wir viele, und wenn ja wer davon?

Jaqueline Scheiber

 

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